Der Holsteiner

 

© Otmar Beyer de Béhaux

 

Der Holsteiner gehört zu den fast 20 deutschen regionalen Warmblutzuchten. Zur gleichen Kategorie muß man noch den Trakehner zählen, der jedoch ein Bundeszuchtbuch besitzt. Unter diesen Regionalzuchtbüchern spielen zwei ein übergeordnete Rolle : das Holsteiner und das Hannoveranische Zuchtbuch.

Alle Zuchtbücher benutzen Hengste dieser beiden Hochzuchtgebiete als Leistungsvererber, wobei auch die Hannoveraner oft Holsteiner Hengste ankören. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Hengst Calypso II. Der Einfluß dieser beiden Zuchten geht teilweise soweit, daß man die anderen deutschen Zuchtgebiete als Nachzuchten bezeichnen kann.

Die geographische Situation

Die Holsteiner Zucht ist das nördlichste deutsche Zuchtbuch. Das eigentliche Hochzuchtgebiet liegt an der Küste der Nordsee, ca 50 Kilometer nördlich von Hamburg. Jedoch erstreckt sich der Einflußbereich über das ganze Bundesland Schleswig-Holstein und den Stadtstaat Hamburg.

Diese geographische Lage hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Pferde gehabt. Die schweren Böden der Holsteiner Ebene laßen sich nur unter bestimmten klimatischen Gegebenheiten bearbeiten, da sie sonst entweder zu naß oder hart wie Beton sind. Insgesamt bieten nur wenige Tage diese idealen Bedingungen und die Böden nennt man dashalb auch Minutenböden. Die Pferde mußten also stark und kräftig, der Charakter willig und ausgeglichen sein. Weitere typische Charaktereigenschaften sind Robustheit, Ausdauer und Treue. Vorallem wurde jedoch Härte verlangt, da die Ackerarbeiten im Frühjahr ohne Vorbereitung die winterliche Ruhepause ablösten.

Die Geschichte des Holsteiners

Die Herkunft

Die Abstammung der Holsteiner Rasse ist nicht bekannt, jedoch kann man seit dem Mittelalter die Fremdeinflüße feststellen. Systematische Pferdezucht wurde vorallem von den Adligen, vom Herzog und vom dän. König betrieben, die Pferde für ihre Kämpfer brauchten.

Der Holsteiner war damals ein sehr großes und starkes Pferd, welches durch die Einkreuzung von Spaniern und Napolitanern in die bodenständige Stutenbasis entstanden war. Dieser Holsteiner war weit über die Grenzen hinaus als Zucht- und Turnierpferd bekannt und beliebt. So wurden Holsteiner Stuten bei der Gründung des Nassauischen Landgestüts Dillenburg im 16. Jahrhundert verwendet und Holsteiner Hengste gehörten 1735 zu den ersten Bewohnern der Ställe im Landgestüt Celle. Aber auch die heutige Zucht spürt noch den Einfluß der Spanier, da die Ramsnase ein Relikt dieser damaligen Veredler ist. Die Holsteiner Zucht ging im Laufe der Jahrhunderte durch Verkauf besten Zuchtmaterials und wahllose Einkreuzung englischen Vollblutes fast unter. Auch die ersten Jahre des preuß. Landgestüts Traventhal, gegründet 1867, ist davon noch gekennzeichnet. Die Vereinigung der beiden Herzogtümer unter preußischer Hoheit ging der Gründung Traventhals knapp voraus.

Von Achill bis zum Ersten Weltkrieg

Von 1823 bis 1846 wurden mehrere Yorkshire-Coach-Hengste eingeführt, die sich als hervorragend für die Zucht herausstellen sollten. Allein diese Rasse hatte sich als Veredler herausgestellt, da die Produkte über Generationen hinweg den harmonischen Mitteltyp zwischen diesen Hengsten und den Holsteiner Stuten darstellten. Die Pferdezucht war damals vorallem auf ein schweres Zugpferd ausgerichtet, nur die edelsten Exemplare konnten auch geritten werden.

Erst die Hinweise eines Hippologen, welcher die vorzügliche Blutführung des Hengstes Achill erkannte, brachten den Durchbruch. Achill, geboren 1877, ist das Produkt einer gelungenen Inzucht, da seine Eltern Halbgeschwister über den Vater sind. Darüberhinaus ist sein Pedigree stark von den engl. Yorkshire-Hengsten gerägt, die hier in Verbindung zu bestem Holsteinerblut treten. Trotz einer langen Karenzzeit, Achill wurde fast 20 Jahre lang sehr wenig benutzt und stand auf einer vollkommen unbedeutenden Station, brachte er nach seiner Wiederentdeckung eine ganze Reihe hervorragender Stuten, wurde aber unsterblich durch seinen Sohn Tobias, der der bedeutenste Vererber des beginnenden 20. Jahrhundert wurde. Tobias ist eng auf einen der Yorkshire-Hengste ingezogen, den er mehr als dreißigmal in seinem Stammbaum führt.

Als die preuß. Zuchtleitung immer mehr Vollblüter aufstellte um auch aus Holstein mehr Remonten zu ziehen, schloßen sich die Züchter im jahre 1891 zum Zuchtverband zusammen um ihren Standpunkt geschloßen zu vertreten.

Bis 1919 repräsentiert der Holsteiner das Zugpferd, das in seinen edlen Exemplaren auch geritten werden kann. Nur einige Vollblüter brachten die von der Armeeverwaltung gewünschten Remonten.

Die Verstärkungsphase und der Neubeginn

Mit der Niederlage und der Limitierung der Heerstärke fiel die Armee als Abnehmer aus. Daraus resultiert eine Verstärkung des Typs, welcher mehr zur landwirtschaftlichen Nutzung tendiert. Festgeschrieben wurde diese Tendenz durch Verordnungen der Nationalsozialisten, die aus Holstein schwere Stangenpferde holen wollten. Diese Verschwerung wurde glücklicherweise nicht durch Einkreuzung von Fremdblut, sondern durch Selektion in der Stutenbasis und der Aufstellung von schweren Holsteinerhengsten erreicht. Dadurch wurden die dem Holsteiner innewohnenden Qualitäten nicht berührt und der Charakter nur unbedeutend geändert.

Diese Verstärkungsphase dominierte von 1920 bis in die 50iger Jahre. Mit der zunehmenden Motorisierung der Landwirtschaft fiel nach dem Krieg auch der letzte traditionelle Abnehmer von Pferden aus. Die Zuchtleitung zog daraus die Konsequenz und die Umzüchtung des Holsteiners zum Reit- und Sportpferd wurde durch die Ankörung von leichten Hengsten in die Wege geleitet.

Die Umzüchtung und die Konsolidierung

Die 50iger Jahre kannten in Bezug auf die Hengstaufstellung noch kein einheitliches Rezept. Man findet Trakehner und andere Anglo-Araber neben Vollblütern, sowohl englischen als auch einigen arabischen, und Hannoveranern. Eine radikale Einschränkung der Ankörungen rettete auch diesesmal wieder die Rasse. Einzig der engl. Vollblüter wurde, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, zur Veredlung eingesetzt. Unter diesem Einfluß veränderte sich das Modell des Holsteiners und eine drakonische Selektion erhielt gleichzeitig den Charakter. Das Modell wurde erheblich leichter, der Rahmen kleiner, der Kopf edler ; der Rücken verlängerte sich und der Widerriß trat deutlicher hervor. Die Pferde wurden spritziger, eleganter und zeigten auch mehr " Biß ". Der Erfolg dieser Umzüchtung beruht auf einigen ganz besonders guten Hengsten, aber auch, wenn auch bedeutend weniger, auf der Vielzahl der benutzten Vollblüter. Gemeinsamer Punkt fast aller aufgestellten Vollblutbeschäler ist die Abstammung, die meist auf die für die Holsteiner Zucht wichtigen Vollblüter Dark Ronald und seinen Sohn Son in Law zurückgeht.

Die Umzüchtung erwies sich als lebensnotwendig, da die Stutenbasis des Holsteiners von ehemals fast 10.000 auf knapp 1.200 zu Beginn der 60iger Jahre gefallen war. Dieser massive Vollbluteinsatz mit letztendlich positivem Resultat, einzigartig in der Geschichte der deutschen Pferdezucht, brachte der Holsteiner Zuchtleitung, die 1960 verbandlich organisiert wurde, harsche Kritiken ein, da er Hand in Hand mit dem Zuchtausschluß allen Fremdblutes ging, wohingegen die anderen Zuchtgebiete, die unter ähnlichen Bedingungen arbeiteten, sich dem Hannoveraner zuwandten, wie es in Oldenburg der Fall war, oder durch den Einsatz des Arabers vollkommen untergingen, wie es dem ostfriesischen Warmblut passierte.

Die bedeutenden Hengste dieser Epoche waren allen voran Anblick xx, dem ersten Vollblut, dem die Züchter vertrauten, aber auch Cottage Son xx, Wüstensohn xx, Wanderfalk xx und Waldenser xx, als auch der Anglo-Araber Ramzes AA.

Die 60iger Jahre leiteten dann teilweise schon die Konsolidierung des Typs ein, da einige gute Hengste mit den schon veredelten Stuten die Leistungsvererber brachten, die das Ende des ganzen 20. Jahrhunderts beeinflußen sollten. Aber immer noch gab es viele Stuten, die ganz hervorragend zu leicht vererbenden Hengsten paßten. Und die Zuchtleitung tat einige glückliche Griffe mit dem Ankauf von Marlon xx und Ladykiller xx. Diese beiden Spitzenvererber beinflußen auch heute noch das Zuchtgeschehen. Marlon paßte dabei zu den schweren Stuten, Ladykiller brachte seine besten Produkte mit schon veredelten Stuten. Weitere gute Hengste waren Frivol xx, Korenbleem xx, Manometer xx, Nautilus xx und Sable Skinflint xx.

Die Aufstellung 1971 des Anglonormannen Cor de la Bryere verdeutlicht die Konsolidierungsphase. Dieser Rantzausohn war die erste große und erfolgreiche Ausnahme im Zuchtkonzept des Holsteiners. Er führt selbst noch sehr viel Blut, harmonisiert jedoch bestens mit schon edleren Stuten und verfestigt den neuen Typ. Cor de la Bryere beherrscht zusammen mit Ladykiller ( 1979) und Marlon ( 1981) die Zuchtszene der 70iger und 80iger Jahre, wobei Ladykiller xx schon von seinen Söhnen, allen voran Landgraf I und Lord unterstützt wird.

Der Blutaufbau der Holsteiner Zucht

Ramzes AA war ein polnischer Anglo-Araber mit 50% Araberblut. Er kann auf erfolgreiche Verwandte hinweisen, da das erfolgreichste poln. Springpferd vor dem 2. Weltkrieg zu seiner Familie gehört. Ramzes, zweimal für jeweils eine Decksaison angepachtet, zeichnet sich in Holstein durch seine Springvererbung aus. In der Zucht selbst schlug er nicht stark ein, da er am besten mit schon edlen Stuten harmonisierte, wie das Beispiel seines Enkels Ramiro zeigt, und diese zu seiner Zeit noch sehr selten waren. Seine Hengstlinie besteht nur noch über Ramiro, welcher jedoch eine überragende Bedeutung für die ganze europ. Zucht spielt. Bei ihm ist der anglo-arabische Einfluß schon stark zu Gunsten des Vollblutes geschwächt, was schon rein äußerlich durch die Farbe dokumentiert wird : Ramzes AA war, genau wie Ramiro’s Vater Raimond, ein Schimmelhengst. Cottage Son xx, Ramiro’s 2. Großvater war schwarzbraun, genau wie Ramiro selbst.

Anblick xx, angekört 1954 nach zehnjährigem erfolglosem Wirken im Hannoveraner, sollte der erste erfolgreiche Vollbluthengst der Holsteiner werden. Jedoch wurden auch ihm zuerst nur die 2. und gar 3. Garnitur zugeführt, die besten Stuten kamen zu bewährten Holsteiner Hengsten. Aber selbst mit diesen nur durchschnittlichen Stuten brachte Anblick hervorragende Pferde, die den neuen gewünschten Typ verkörperten. So kann man von Erfolg also erst gegen Ende der 50iger Jahre reden.

Sein bester Sohn ist Aldato, der großen Einfluß hatte und heute noch über seinen Enkel Landgraf wirkt. Sowohl Aldato als auch Anblick xx vererbten mehr auf der Dressurebene, verdrängen jedoch nicht die Springanlage.

Das Beispiel Anblicks verdeutlicht die Einwirkungen der ersten Vollblüter : selbst wenn sie keine große Hengstlinie gründen konnten, so ist ihr Blut jedoch fest in den Stutenstämmen verankert.

Cottage Son xx war ein schwarzbrauner Vollbluthengst, der auf Grund der Erfolge der Vollblüter in Holstein angekauft wurde. Er war schon kein unbeschriebenes Blatt mehr, da mehrere seiner engl. Nachkommen in internationalen Vielseitigkeitsprüfungen gingen.

Für Holstein wurden die 4 Deckzeiten, die er bis zu seinem Tod 1963, noch hier absolvierte zu den wichtigsten überhaupt. Cottage Son paßte nicht nur sehr gut zu den Holsteiner Stuten, er bereitete gleichzeitig die Grundlage für Cor de la Bryere, für welchen er die beste Anpaarung darstellt.

Seine Hengstlinie hat durch Capitol I eine ungeahnte Ausdehnung erfahren und zählte heute zu den etablierten.

Allgemeingesehen ist Cottage Son sehr gut in den Stutenstämmen verankert und sein Erbgut kommt hier am besten zum Tragen, wenn er in der 3. oder 4. Generation steht.

Für die Ankörung Manometer’s xx war sicherlich mitbestimmend, daß sein Vater, Abendfrieden xx, ein Vollbruder zu Anblick war und schon ein anderer Sohn seines Vaters recht guten Erfolg in der Zucht hatte, jedoch schon nach einem Jahr ausschied, Gauner xx. Über die Holsteiner hinaus hat Abendfrieden gute Hengste auch für den Hannoveraner und dessen Nachzuchtgebiete gebracht, wobei besonders Perser und Pik As zu nennen sind.

Trotz starker Exterieurmängel besitzen seine Nachkommen eine gute Springanlage. Im Laufe der Jahre konnten sich jedoch Nachkommen als Dressurhengste und -vererber profilieren.

Seine Stärke liegt in der Vererbung über seine weiblichen Nachkommen. Besonders gefragt sind Stuten seiner Söhne und Enkel, an welche er seine Muttervaterqualitäten weitergegeben hat. Seine Hengstlinie ist nur noch über die Nachkommen seines Enkels Moltke vertreten. Sie zählt zu den kleinen Linien innerhalb der Holsteiner Zucht.

Marlon xx war ein irischer Vollbluthengst, der sehr gut zu den schweren Stuten paßte, welche er veredelte und auch den nötigen Schnitt mitgab. Mit edleren Stuten wurden seine Nachkommen zu klein und leicht. Sein Vererbungsschwerpunkt liegt ganz eindeutig in der Dressur, aber auch sein Springvererbung ist überdurchschnittlich. Leider konnte keiner seiner Söhne sich bisher in der Zucht hervortun und sein Linie scheint im Aussterben zu sein. Marlontöchter sind vorzügliche Zuchtstuten und laßen sich mit fast allen Hengsten anpaaren, wenn Warmblüter auch besser zu ihnen paßen als Vollblüter ; die Marlontöchter sind oft etwas ‘zickig’, aber über sie wird Marlon noch jahrelang Einfluß ausüben, auch wenn seine Söhne schon von der Zuchtszene verschwunden sind.

Marlon xx war der beste Dressurvererber, den die deutschen Zuchten jemals aufgestellt hatten und verweist sogar Cardinal xx aus der Hannoveranerzucht auf den 2. Platz.

Von seiner Bedeutung her ist Ladykiller xx das Vollblut mit der größten Bedeutung. Unter seinen vielen guten Söhnen fallen natürlich besonders Landgraf I und Lord auf, die zu den Starvererbern des Züchterverbandes gehören. Beide stammen aus schon veredelten Stuten, welche die ideale Anpaarung für Ladykiller bildeten.

Sein Vererbungsschwerpunkt lag besonders im Springen, Dressurpferde sind selten. Trotzdem konnten sich zwei Söhne auch in dieser Disziplin als Vererber ins Licht setzen.

Als Muttervater erreicht er noch nicht die Bedeutung, die er als Hengstvater besitzt, aber er tritt jetzt recht oft als Vater der 2. Mutter in Erscheinung. Jedoch steht allgemein die Qualität seiner Töchter der seiner Söhne nicht nach.

Sein Hengstlinie ist die am stärksten verzweigte der modernen Holsteiner Zucht. Seine männlichen Nachkommen sind in der ganzen Welt gefragt und tragen so seinen Einfluß bis nach Südamerika.

Zur Zeit stellt sich die Frage welcher Hengst den Ausfall Landgrafs und Lord ausgleichen könnte, da sich leider noch kein Sohn dieser Hengste so stark profilieren konnte, daß er als ihr Nachfolger gelten könnte.

Nachdem der Oldenburger Ankauf des Furioso xx-Sohnes Vertuoso, in Deutschland auf Furioso II umgetauft, sich als durchschlagender Erfolg erwies, begann man in Holstein nach einem Hengst aus der gleichen Linie zu suchen, da die Zuchtsituation in Oldenburg durchaus mit der in Holstein verglichen werden konnte. Man entschied sich bei einer Frankreichreise dann für einen Rantzau xx-Sohn mit Furioso als Urgroßvater. Der Ankauf Cor de la Bryere’s stellte für die Züchter ein recht großes Problem dar, da er vom " Erbfeind " kam. Erst die Qualität seiner Nachkommen brachten ihm die Anerkennung ein, die er verdiente. Seine Bedeutung übersteigt wahrscheinlich noch die des Ladykiller’s, da erst unter seinem Einfluß der Holsteiner das Sportpferd wurde, wie wir es heute kennen.

Die Bedeutung Cor de la Bryere ist gleichstark in den Stutenstämmen und den Hengstlinien. Einige seiner Söhne haben selbst schon die Linie des Vaters weiter verzweigt und seine Töchter harmonisieren mit allen Hengsten der Zucht. Leider sind viele der Zucht wegen ihrer Rittigkeitkeit und ihres Springvermögens verloren gegangen.

Sein Leistungsverbung wird vom Springen dominiert, Dressurvererber gibt es weniger, wenn auch ein Europachampion, Corlandus, Corde zum Vater hat. Einzig Calypso I, Coriander und sein Vater Coriolan besitzen einen nennenswerten Einfluß in dieser Disziplin.

Nach diesen vorzüglichen Erfahrungen mit einem SF-Hengst körte der Verband einen weiteren Selle Français, Silbersee, an, der eine ähnliche Kombination wie Corde besitzt, jedoch in anderen Blutströmen. Genau wie Corde ist Hozeville, Silbersee’s franz. Name, ein Vollblutsohn, wenn auch sein Vater nicht von sich Reden machte. Jedoch ist seine Mutter eine Tochter des überragenden Muttervaters Quastor aus der Orange Peel xx-Linie. Darüberhinaus ist Quastor ein Dreiviertelbruder zu Almé, da seine Großmutter mütterlicherseits Almés Mutter ist. Die Zukunft gab dem Verband recht, denn Silbersee besitzt eine überragende Eigenleistung, denn er war Springpferd internationaler Klasse und mehrfacher Derbusieger. In der Zucht konnte Silbersee sich noch nicht mit Corde vergleichen. Seine Hengstlinie ist bedeutend kleiner, zudem starb sein bester Sohn, Silvester, der einen gewissen Einfluß auf die Holsteiner Zucht ausübte, in der Saison 1993. Viele Silberseetöchter sind zu Gunsten des Sportes der Zucht verloren gegangen.

Seit einigen Jahren rücken die Alménachkommen immer mehr ins Licht. Drei Söhne des SF-Ausnahmehengstes Almé waren oder sind in Holstein stationiert, jedoch ist nur einer holsteiner Blutführung : Ahorn. Die beiden anderen stammen aus Anpaarungen an Hannoveranerstuten. Besonders fällt unter ihnen Alcatraz, von Aloube-Almé, auf. Da Aldato auch in seinem Stammbaum auftritt, ist die Leistungsvererbung noch nicht polarisiert und kann sowohl zur Dressur als auch zum Springen hin tendieren. Auf der Zuchtebene hat dieser Hengst, obwohl noch nicht zehnjährig sich jedoch schon profiliert.

Die Vererbung der Alménachkomme ähnelt wahrscheinlich der ihres Vaters, welcher ein guter Hengstvater, aber ein noch besserer Sportpferdevater war. Auch die Töchter waren überdurchschnittlicher Qualität. Almé übertrifft bei weitem seinen Vater, Ibrahim, an Bedeutung für die SF-Zucht.

Die neuesten Tendenzen

Die 80iger Jahre sehen einen gewaltigen Rückgang der Vollblutanpaarungen. Die Auswirkungen werden jedoch erst jetzt spürbar mit einer gewissen Dominanz des Erhaltertyps in der Stutenbasis. Die Zuchtleitung versucht jetzt durch die Ankörung von neuen Vollblütern den modernen Sporttyp zu erhalten. Bestes Beispiel für diese neue Verschwerung ist der Starvererber Capitol I, dem nur Stuten zugeführt werden können, die entweder ein Vollblut oder den Hengst Cor de la Bryere in mindestens der 2. Generation führen. Aber nicht alle Vollblüter besitzen die Qualitäten eines Ladykillers, Anblicks oder Marlons und einige erst kürzlich angekörte Vollblutveredler sind schon wieder in der Versenkung verschwunden.

Erstmalig seit mehreren Jahrzehnten wurde auch wieder ein Anglo-Araber aufgestellt. Arystokrat AA kommt über seinen Vater aus franz. Zucht und geht auf den, dort als Springpferdevererber hingestellten, Mourne xx zurück. Die Mutterlinie ist stark mit Vollblut angereichert und kommt aus Polen. Der Hengst ist noch recht jung, besitzt aber Grundgangarten die, falls er diese vererbt, allerbestes Dressurmaterial erhoffen laßen. Über die Springanlage kann noch nichts gesagt werden.

Die Züchter in Holstein setzen große Hoffnungen auf die Hengste Sir Shostakovich xx, Grundyman xx, Feensproß xx und Condrieu xx um nur einige zu nennen. Gleichzeitig wird die Zucht beeinflußt durch mehr oder wenige starke Inzuchten auf Ladykiller xx und Cor de la Bryere. Durch die Inzucht hofft man der Verschwerung wenigstens teilweise entgegenzuwirken.

Nach Aussage des Zuchtleiters wird der noch zu findende Starvererber des Holsteiner Zuchtbuches ein Veredlersohn sein. Der Züchter sieht sich also wieder einer Masse von Vollblutbeschälern gegenüber, deren Vererbung er, in den ersten Jahren zumindest, noch nicht abschätzen kann. Gleichzeitig bedingt die Marktlage, daß nur überdurchschnittlich gute Pferde noch ein Geschäft erhoffen lassen. Hier liegt jetzt das Dilemma der Zucht, da die guten Stuten weiterhin zu bekannten und bewährten Vererbern kommen, nicht weil die Züchter den Vollblütern nicht vertrauen, sondern um die Absatzchancen zu erhöhen.