Von Rassen, Veredlern, Hochzuchten und Nachzuchtgebieten

 

© Otmar Beyer de Béhaux

 

In Beschreibungen der Zuchtgebiete liest man oft die Terme "Hochzuchtgebiet" und "Nachzuchtgebiet" ohne das diese näher erklärt werden.

Es handelt sich hierbei ganz einfach um die Ausdehnung, die eine Rasse erreicht hat. Das Hochzuchtgebiet ist die Wiege einer Rasse : Holstein für den Holsteiner, Ostpreußen für den Trakehner, das nordöstliche Niedersachsen für den Hannoveraner, England für das Vollblut, die Normandie für das französische Sattelpferd, Südwestfrankreich für den französischen Anglo-Araber, Arabien für den Vollblutaraber, um nur die bedeutensten Rassen hier aufzuführen. Ohne irgendeinem Zuchtbuch zu nahe treten zu wollen können alle anderen Zuchtgebiete der Welt, die Sportpferde produzieren, als Nachzuchtgebiete bezeichnet werden, wobei die Rassen, die zur Veredlung benutzt werden eine gesonderte Rolle spielen. Als echte Veredler kann man nur drei Rassen bezeichnen : das englische Vollblut, der Vollblutaraber und der Anglo-Araber, soweit dieser seine reine Abstammung entweder vom englischen oder vom arabischen Vollblut beweisen kann. Nimmt man die Veredlerfunktions als Mittel zum Zweck, kann fast jede Rasse Veredler sein.

Der Term "Hochzuchtgebiet", ist ein für alle Mal für einen bestimmten Pferdetyp festgelegt, wohingegen der Term "Nachzuchtgebiet" zeitlich abhängig sein kann. Ein Zuchtgebiet, das aufgehört hat eine Hochzucht zu sein, ist Oldenburg. Das schwere Oldenburger Warmblutpferd war die bedeutenste Hochzucht seiner Kategorie. Erst als die wirtschaftliche Situation eine Umorientierung erforderte wurden Fremdhengste aufgestellt um den neuen Pferdetyp zu erreichen. Seit dieser Zeit ist Oldenburg kein Hochzuchtgebiet mehr, sondern verfolgt eine eigenständige Zuchtpolitik, jedoch in starker Anlehnung an die bedeutenden Nachbarn Holstein und besonders Hannover.

"Hochzuchtgebiet" hat aber noch eine weitere, unterschwellige Bedeutung. Es läßt mit anklingen, daß diese Gebiete nur recht wenig Fremdblut, d.h. Beschäler anderer Rassen, benutzen. Alle oben angeführten Hochzuchten mit Ausnahme der beiden Vollblutrassen, benutzen Veredler. Jedoch heben sich die Araber und die Vollblüter ab, da diese in Reinzucht stehen, d.h. das kein Fremdbluteinfluß möglich ist. Beides sind übrigens Rassen, die sich über die ganze Welt verbreitet haben. Der Holsteiner und der Selle Français öffnen sich nur sehr wenig gegenüber Fremdeinflüßen, die nicht von Veredlern kommen. Der Trakehner ist gegen jeglichen Fremdbluteinfluß, außer veredlern, geschloßen. Als einziger hat es sich der Hannoveraner erlaubt, anderen Rassen Einfluß zu gewähren.

Ganz allgemein gesehen ist ein Nachzuchtgebiet eine Region, die in starker Weise Hengste und Stuten eines Hochzuchtgebietes verwendet. Diese Verwendung geht dabei wohl soweit, das zwar einheimische Stutenstämme vorhanden sind und auch beibehalten werden, sonst aber fast ausschließlich Beschäler des Hochzuchtgebietes und deren Nachzucht in der Zucht eingesetzt werden. Dieser Einsatz von Fremdblutbeschälern, denn, zumindest in den Anfängen, handelt es es sich um solche, unterliegt jedoch den Entscheidungen der Zuchtleitung, die natürlich den Einsatz der Beschäler durch die Anerkennug reguliert und so ganz wesentlich dazu beiträgt, ob eine Region Nachzuchtgebiet wird oder nicht. So kann eine Region jahrelang Nachzuchtgebiet sein und dann, nach einer Übergangsperiode, durch eine Änderung der Zuchtpolitik nicht mehr.

Es gibt dann aber auch noch die Regionen, die keine Hochzuchtgebiete und keine Nachzuchtgebiete sind und trotzdem eine sehr hochstehende Pferdezucht haben. Dies läßt sich einfach durch eine Mischung der verschiedenen Rassen erklären, die zur Gründung dieser Zuchtgebiete beigetragen haben. Jedoch hat keine dieser unterschiedlichen Rassen eine deutliche Dominanz gegenüber den anderen Rassen erreicht. Man könnte fast behaupten, daß die Leiter dieser Zucht sich in allen Rassen nur die Blutströme ausgesucht haben, die sie für ihre Zucht und den gewünschten Pferdetyp für geeignet hielten. Das auf diese Art und Weise hervorragende Zuchten entstehen konnten zeigen die Beispiele Hollands und Belgiens, deren Zucht stark auf den drei Rassen Holstein - Hannover und Selle Français aufbaut.

Über diese Erklärung hinaus hat natürlich jedes Zuchtbuch sein Hochzuchtgebiet. In diesem Fall bezeichnet der Term das Zentrum der Zucht einer Region.